Hitzetod

Wer Tanger nicht kennt, möge sich eine Art wildes Gewürfel vorstellen,
als hätten die Blagen fünf Scrabble-Spiele zusammengeschmissen und wieder nicht aufgeräumt. Genauso zufällig scheinen die Gassen der Stadt sich zu bilden wie sinnlose Worte. Oder die Häuser sich zu stapeln.
Dennoch steckt Ordnung dahinter, die der Fremde nur nicht gleich erkennen kann. Sonst würde es ihn nicht geben, den Grand Socco, den großen Markt,
und seinen kleinen Bruder, zumindest dem Namen nach: Petit Socco.

So sicher bist du dir auch nicht, von dem abgesehen dass du dir sowieso
nicht so sicher bist da. So sicher bist du dir nicht, angesichts der Menschenmengen die sich durch Gassen und über Plätze drängen in
vornehmlich weiten, blass gestreiften Gewändern, die auf den Fremden dieselbe Wirkung haben, wie die Muster einer Herde stiebender Zebras auf den verdutzten Löwen, der Jagd machen wollte.
Ein bisschen Getreidegasse in Salzburg. Nur anders.
Alles geht zu Fuß. Es fällt nicht auf, dass man hier zu arm ist für KFZ,
die Gassen würden ihnen ohnehin keinen Platz einräumen.
Als Fremder willst du das Exotische einsaugen und platzierst dich
am Rande des Wahnsinns nachdem du den dreiundzwanzigsten
Teppichverkäufer brüskiert hast. An einem der winzigen Tische am
Petit Socco orderst du Tee. Schlecht getarnt, weil was anderes gar nicht möglich ist, wirst du taxiert von Kind und Kegel. Und auch was du am Leibe hast.
Das macht mulmig. Der Tee stimmt dich sanft.
Es tobt das Leben. Und tanzt eng mit dem Tod.
Denn da kommt einer aus der Gasse gerade auf den Zigarettenverkäufer zu,
der seine wertvolle Ware noch Stück für Stück anbietet.
Der Fällt um, der andere über ihn her,
so schnell, wie Fast Forward.
Der Zigarettenverkäufer liegt rascher im eigenen Blut als du -Gott- sagen kannst.
Der Platz ist schneller leergefegt als die Polizei erlaubt. Die jetzt kommt.
Zu zweit auf einem Moped. Wo sind alle hin?
Niemand mehr da ausser den paar Fremden (wie eingefroren, stand by).
Und dem Sterbenden. Der zuckt noch.
Die Zigaretten sind weg. Ein paar Kellner werden was gefragt.
Der Sterbende zuckt noch.
Ein Krankenwagen wird per Funk gerufen. Er braucht lange, weil er sich den einzigen Weg erst suchen muss, der breit genug ist für seine Mission.

Der Tote wird auf die schmale Bahre gehoben.
Man bedeckt nicht sein Gesicht. Man tut alles sehr routiniert.
Der Krankenwagen fährt weiter und die Polizei auch.
Es gibt hier nichts mehr zu tun.
Das Leben geht weiter. Es gibt hier nichts mehr zu sehn.
Ein Gehilfe aus dem Teehaus kommt mit Eimer und Fetzen.
Er wischt das Rote vom Pflaster.

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walhalladada - 20. Jan, 17:40
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