Essen reloaded
Mittlerweile weiss man ja, weshalb der Großvater diese rüpelhafte Art hat, seine Suppe zu schaufeln. Er fürchtet, die Russen könnten jederzeit wiederkommen um das ganze schöne fettige 50er-Jahre Essen abzufassen. Doch was weiss schon eine Halbstarke mit zwölf. Was ahnt die von Opas Hunger. Mutter hingegen schlürft mit Hingabe und in einem einzigen mächtigen Zug den Hesperidenessig aus der Salatschüssel, nachdem das Grünzeug darin ertränkt und aufgegessen ist. Davon bekommt man Würmer, ekeln sich die Tanten, die lieber Knochen knacken, Suppenknochen. Sie legen das Mark frei, gebrochenweiss zittert es dann, als ob es friere oder wie in Todesangt, auf dem vom vielen Abwaschwasser gespalteten Holzbrett. Gegessen wird es mit Salz und Peffer und Lust.
Wenn es sich gar nicht anders ausgeht, wird statt des ganzen Schweinekopfes zu Silvester nur die Schweinsnase, der Rüssel, gekocht, in Würfel geschnitten und kurz nach Mitternacht verspeist. Das soll Glück bringen, hat mit Hunger nichts zu tun. Die Nasenlöcher eines gekochten Schweinskopfs fühlen sich unwiderstehlich an, das Grausen wohnt wo anders. In zu Tode gedünstetem Kraut mit Kümmel oder in Eiernockerln wie Gummibälle. In der Haut, die auf wiederabgekühlter Milch schwimmt und einem beim arglosen Trinken an den Lippen kleben bleibt. Im Salat mit den fingerdicken Wurstscheiben, mit Zwiebeln und Öl. Hinter dem Grausen lauert das Erbrechen. Es lauert, traut sich gleichwohl nur selten heraus. Zu stark, zu wenig zurückhaltend, fürchtet es, sei die Aussage, die sich sonst in manifester Form über den Küchen-PVC ergießen würde. Man will sich nicht in den Vordergund spielen, nicht zu sehr. Man quält seinen Besitzer mit Brechreiz, nur ein wenig, als würde einem jemand fortwährend hinterrücks auf die Schulter tippen und säuseln:
Du, Du ich bin da, da, gleich hinter Dir, gib acht, wenn Du nicht aufpasst, aber dann..
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Wenn es sich gar nicht anders ausgeht, wird statt des ganzen Schweinekopfes zu Silvester nur die Schweinsnase, der Rüssel, gekocht, in Würfel geschnitten und kurz nach Mitternacht verspeist. Das soll Glück bringen, hat mit Hunger nichts zu tun. Die Nasenlöcher eines gekochten Schweinskopfs fühlen sich unwiderstehlich an, das Grausen wohnt wo anders. In zu Tode gedünstetem Kraut mit Kümmel oder in Eiernockerln wie Gummibälle. In der Haut, die auf wiederabgekühlter Milch schwimmt und einem beim arglosen Trinken an den Lippen kleben bleibt. Im Salat mit den fingerdicken Wurstscheiben, mit Zwiebeln und Öl. Hinter dem Grausen lauert das Erbrechen. Es lauert, traut sich gleichwohl nur selten heraus. Zu stark, zu wenig zurückhaltend, fürchtet es, sei die Aussage, die sich sonst in manifester Form über den Küchen-PVC ergießen würde. Man will sich nicht in den Vordergund spielen, nicht zu sehr. Man quält seinen Besitzer mit Brechreiz, nur ein wenig, als würde einem jemand fortwährend hinterrücks auf die Schulter tippen und säuseln:
Du, Du ich bin da, da, gleich hinter Dir, gib acht, wenn Du nicht aufpasst, aber dann..
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Nachtbriefkasten - 16. Nov, 13:14
Liebe Frau NBK,
Soviel steht fest:
Sie haben ein 'Händchen' für Themen,
die nicht unbedingt auf der Hand zu liegen scheinen...
Das 'zitternde Mark' , welches Sie vor meinen Augen freilegen, genügte bereits,
um mich 'satt' zu machen...
Die vorherrschende Erinnerung an meinen Großvater, ist, ihn bei Tisch zu sehen...
Die obligatorische Suppe wurde weder 'gezurrpt', noch geschlürft, sondern gekaut...
Das war für mich als Kind ein wahrer Graus...
Spät nachts verdaut man schlecht...
Ach herrje, Großväter und ihre Suppen, meiner umarmte sie mit der Linken, was heißt umarmen, er erwürgte beinahe den Teller, den Löffel in der geschlossenen rechten Faust, und, jössas ja, stimmt..er KAUTE auch! Mich grauste eigentlich nicht so sehr davor, mehr faszinierte es mich. Bis mir dann jemand von seinem Hunger in Russland erzählte.